Soll ich bleiben oder soll ich gehen?
Megane Burkhard (Praktikantin)
13.02.2020
Am Wolfsforschungszentrum sind die Gehege durch Übergänge und kleine Türen miteinander verbunden, die sich öffnen lassen, wenn die Wölfe und Hunde von einem Gehege zum anderen wandern, das heißt 'shiften'. Dieses 'Shiftingsystem' wird aus verschiedenen Gründen eingesetzt, z.B., wenn die Caniden die Gehege wechseln müssen, um ihre Gehege zu säubern oder wenn die Tiere in einem bestimmten Kontext getestet werden müssen.
Das klingt zwar nach einer ziemlich einfachen Angelegenheit, aber manchmal kann das Shiften eines Tieres ziemlich kompliziert werden und erfordert etwas Geduld. Wie Sie vielleicht wissen, werden die Caniden am WSC mit Hilfe positiver Verstärkung trainiert. Das heißt, wenn sie an einen anderen Ort gebracht werden müssen, geschieht das nur, wenn sie sich dazu bereit erklären, dies auch selbst tun. Sie werden nämlich nie zu irgendetwas gezwungen. Die meisten Caniden sind normalerweise ziemlich kooperativ, wenn es darum geht, geshiftet zu werden. Aber einige von ihnen machen es einem nicht so leicht.
Nehmen wir an, die Tiertrainer müssen ein Tier aus ihrem Gehege herausshiften. Dabei könnte man vermuten, dass der Tiertrainer das Tier ruft, die für das Shiften notwendige Tür öffnet und das Tier höflich mit einem Stückchen Fleisch darum bittet, herauszukommen – und meistens funktioniert das auch, denn, hey, die Tiere wissen, wie das geht. Darauf wurden sie trainiert. Außerdem erhalten sie als Belohnung ein schönes Stück Fleisch.
Nun, leichter gesagt als getan. Während die Hunde bei dieser Aufgabe normalerweise recht kooperativ sind, kommt der Wolf nicht einfach heraus, wenn er gerade keine Lust dazu hat. Und dann kann man nicht wirklich viel tun, außer es mit mehr Entschlossenheit und/oder mehr Fleisch weiter zu versuchen. Wenn Tala allerdings am anderen Ende des Geheges ein Nickerchen macht und keine einzige Pfote bewegt, sollte man es sich noch einmal gründlich überlegen, ob es Sinn macht, es weiter zu probieren, sie zu shiften. Und wenn Sie vorhaben, Una's Gehege zu reinigen, Una aber vorher gesehen hat, dass Sie bereits mit Eimern vorbeigelaufen sind, weiß sie, was Sie vorhaben. So wird das Shiften anschließend sicherlich doppelt so lange dauern - oder gar nicht erst stattfinden.
Aber die Goldmedaille von "Du wirst nie wissen, ob ich dieses Mal herauskommen werde und wie lange es dauern wird" geht an... [Trommelwirbel]: Mr. Wamblee! Er ist ein Profi, der ¾ seines Körpers in das Shiftingsystem bringt, dabei aber darauf achtet, dass ¼ seines Körpers das Gehege nicht verlässt und somit dem Shiften einen Strich durch die Rechnung macht. Sein Zögern kostet den Trainerinnen hin und wieder sogar eine halbe Stunde und das manchmal letztendlich ohne Erfolg. Es ist schon vorgekommen, dass Wamblee problemlos geshiftet wurde. Doch diese Situationen zählen bis heute zu den Wundern des WSC.
Wenn Sie also jemals das WSC besucht haben und vielleicht denken: Wie kann es drei Stunden dauern, die Wolfsgehege zu reinigen? Nun, jetzt wissen Sie es. Das Shiften jener Wölfe, die gerade die Lust dazu fehlt, ist ein Geschäft, das respektiert werden muss. Und Geduld ist ein wertvolles Werkzeug, das die Tiertrainer und Tierpfleger am WSC in ihrem "Schweizer Taschenmesser" nicht missen dürfen.